Komplexe Situationen angehen

Komplexe oder gar chaotische Situationen, wie wir sie im Moment haben, erfordern ein anderes, neues Vorgehen. Bisher erfolgreiches lineares Vorgehen wird durch paralleles Explorieren ersetzt, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen.
Komplexe oder gar chaotische Situationen erfordern ein anderes Vorgehen als einfache oder komplizierte Situationen. In einfachen Situationen ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung klar. Best Practices können sinnvoll angewendet werden. In komplizierten Situationen erfordert die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung eine Analyse, Fachwissen oder eine andere Form der Prüfung. Good Practices sind hier die beste Wahl. Die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung kann in komplexen Situationen erst im Nachhinein, durch Sense Making, wahrgenommen werden, nicht im Voraus. Emergente Praktiken helfen in diesen Situationen zur Steuerung. In Chaotischen Situationen gibt es auf der Systemebene keine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Die Beziehung ist in der System-Umwelt zu finden und kann mit innovativen Praktiken entdeckt werden.
Dave Snowden hat das oben beschriebene Cynefin Modell entwickelt. Für einen sinnvollen Umgang mit komplexen oder gar chaotischen Situationen, wie wir sie im Moment immer häufiger vorfinden, schlägt er ein Vorgehen in vier Schritten vor.
Assess – Adapt – Exapt – Transcend
Assess: Die Krise verunmöglicht eine zielgerichtete Planung und Vorbereitung. Oft fühlen wir uns überrascht und von den vielen Informationen kognitiv und emotional überflutet. In diesem ersten Schritt ist es sinnvoll zu reflektieren. Ist die Situation wirklich neu? Gibt es einen Notfallplan?
👉Schreiben Sie sich Gedanken und Erkenntnisse regelmässig auf. Nutzen Sie Bilder und Metaphern dazu.
👉Setzen Sie klare Grenzen, um Raum und Zeit zu gewinnen.
👉Sprechen Sie mit möglichst unterschiedlichen Gruppen, um unabhängige Bilder von der Situation zu erhalten.
Adapt: Die Situation bleibt weiterhin chaotisch und schreitet in normalem Tempo voran. In der Regel bleibt keine Kapazität, um schwache Signale zu erkennen oder sie werden ignoriert. Wir fühlen uns verwirrt, die Situation ist unklar. In diesem Schritt ist es gut Dispositionen zu visualisieren, die Interventionen zu koordinieren, transparent zu kommunizieren, Entscheidungen zu delegieren und möglichst unterschiedliche Beiträge zu ermöglichen.
👉Überwachen Sie die Voraussetzungen und Grenzen, finden Sie nützliche Muster.
👉Reduzieren Sie die Granularität. Fragmentierte Informationen, vielfältige Daten, so transparente und häufige Kommunikation wie möglich.
👉Schaffen Sie spezialisierte Gruppen und unterschiedliche Netzwerke. Ermöglichen Sie schnelle Feedbackzyklen, um schwache Signale zu erkennen.
Die Wende: zu schnell und übermässig. Reaktiv ist das vorherrschende Gefühl. Es wird versucht einen Sinn zu sehen und ein kohärentes Bild zu erstellen. Gesucht werden Möglichkeiten, Herausforderungen und Verfügbarkeiten.
👉Erstellen Sie ein Bild der Erfahrungen, durch Narrative. So können Sie Einblick in die Voraussetzungen gewinnen, Treiber identifizieren, explizite und implizite Grenzen entdecken, informelle Prozesse, Herausforderungen und Gelegenheiten. Die Antworten auf Herausforderungen hängen ab von ihrer Art und ihrem Kontext.
👉Ermöglichen Sie Zeit, Ressourcen und Wissen damit sich eine klare Entscheidung nicht in Chaos verwandelt.
Exapt: Emergente Stabilität entsteht durch zentralisierte Entscheidungen, starre Strukturen und lange Zyklen werden resolut eingehalten.
👉Leben Sie radikale Offenheit, um neuen Sinn in existierende Strukturen und Werkzeuge zu legen.
👉Exloratives Verhalten, durch parallele Experimente, um die wichtigsten Probleme zu lösen. Die Krise kann durch Exaptation oder radikale Sinnveränderung des vorhandenen Kapitals angegangen werden.
👉Das Chaos absichtlich angehen, indem konzeptuelle Grenzen gelöst werden und unvernünftige Ideen ausprobiert werden. Ein Refraiming des Problemraums und die Herausforderung der herrschenden Normen.
👉Strategische Interventionen zwischen Handelnden, um strategische Entscheidungen zu treffen ist wichtiger, als vorgängige Ziele zu formulieren.
Transcend: Herstellen von Stabilität durch eine Bestandesaufnahme. Erfahrungen und lessons learnt werden formalisiert. Es entsteht wieder ein Gefühl der Zuversicht.
👉Die neuen, anders arbeitenden Einheiten werden in regelmässigen Zyklen beurteilt und überwacht.
👉Ritualisiertes Lernen von Fehlern und Erfolgen, indem beides möglichst frisch sichtbar gemacht und besprochen wird.
Sense Making: Beschreibt den konstruktiven Prozess mit dem wir Menschen den Ereignisstrom in sinnstiftende Einheiten gliedern. Je nach erzeugtem Sinn werden dann andere Erklärungen für die Ereignisse konstruiert.
Emergente Praktiken: Wenn neue Eigenschaften oder Strukturen infolge eines neuen Zusammenspiels der Elemente entstehen. Immer, wenn Menschen in einer neuen Weise miteinander in den Dialog treten. Agile Methoden und Liberating Struktures sind emergente Praktiken.
Exaptation: Zweckentfremdung, beziehungsweise nutzbar machen einer Eigenschaft oder Funktion, die so ursprünglich nicht vorgesehen war.